Mit Niemanns Brechstange ins Viertelfinale
Schiedsrichter: Marvin RepkeLinienrichter: Timo Rehder, Jan Niklas Hägemann
Spielbericht vom 30. Oktober 2024
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Wer nach dem „etwas chaotischen“ Pokalspiel beim SC Nienstedten im Jahr 2021 etwas Bedenken hatte, hatte diese vergeblich. Der Landesligist erwies sich als guter Gastgeber, die Zuschauer behielten ihre Kronkorken für sich und die Bratwurst schmeckte.
Weniger schmeckte Trainer Jean-Pierre Richter, dass nach dem Emden-Spiel mit Arne Exner (Diagnose offen) und Lukas Krüger (Muskelfaserriss) zwei weitere Ausfälle hinzukamen. Zudem musste Manuel Brendel auf Grund seines Platzverweises gegen Emden zusehen. Weil neun Ausfälle nicht genug sind, fiel zwischen Aufwärmen und Anpfiff auch noch Yannik Nuxoll aus, für ihn rutschte Saibo Ibraimo in die Startelf. Wenn es läuft, dann läuft es. Spoiler: Es war nicht der letzte Ausfall.
Grund zur Freude gab dem Trainer jedoch das Ergebnis. Nachdem wir letztes Jahr bereits vor Weihnachten aus dem Pokal ausgeschieden sind und vor zwei Jahren direkt zu Jahresbeginn, stehen wir nach dem 2:0-Sieg beim SCN zum ersten Mal seit drei Jahren wieder im Viertelfinale des LOTTO-Pokals.
„Es war ein typisches Pokalspiel. Der Landesligist wusste ‚hier kommt eine Regionalligist‘ und hat dementsprechend mit Fünferkette gespielt. Gegen eine tief stehende Fünferkette ist immer eklig zu spielen, da kannst du als Favorit eigentlich nur verkacken“, brachte Matchwinner Moritz Niemann die Schwierigkeit des Spiels auf den Punkt.
Unsere Mannschaft dominierte die Partie über die gesamte Spielzeit, hatte gefühlt 90% Ballbesitz, konnte sich aber zunächst keine zwingenden Torchancen gegen die kompakte Defensive der Gastgeber herausarbeiten. Mit zunehmender Spieldauer wurden die Torchancen immer mehr. „Aber Chancen zu haben ist bei uns ja nicht immer das Problem, sondern sie zu verwerten. Das ist weiterer Aspekt, an dem wir arbeiten müssen“, stöhnte Jonny Richter nach dem Spiel, das bei mehr Effizienz auch einen sehr viel deutlicheren Sieg möglich gemacht hätte.
Der Hallo-Wach-Effekt war ein verunglückter Rückpass von Dane Kummerfeld. Der Niendorfer Angreifer umkurvte Fynn Hegerfeldt im Norderstedter Tor, legte sich den Ball aber etwas weit vor, so dass Fabian Grau zum Eckball klären könnte (27.). Dieser landete bei Piet Verbeck, der den Ball nur knapp am Tor vorbeischoss (28.). „Bei der einen Szene mit dem Rückpass hatten wir ein bisschen Atemstillstand“, gab Moritz Niemann zu. „Aber ansonsten haben wir es souverän durchgespielt. Wir wussten, wir müssen geduldig bleiben, weiter unser Ding machen durchziehen und wenn wir das 1:0 machen, brechen auch irgendwann die Dämme.“
Dazu wollte Niemann selbst beitragen, holte viele Bälle und war auch vorne gefährlich, der die zunächst größte Norderstedter Chance mit einem Schuss aus gut zwanzig Metern einleitete. Der abgefälschte Ball landete auf dem Kopf von Ersin Zehir, den Torhüter Kevin Rathje aus kurzer Distanz zu einer Glanzparade zwang, den Abpraller nahm Falk Gross direkt, Yannick Reutter rettete auf der Linie (29.). Waren die beiden Chancen noch nicht groß genug, scheiterte Niemann nach einem Kummerfeld-Eckball per Kopf aus einem Meter an Torhüter Rathje, der Ball landete vor den Füßen unseres Kapitäns, der aus kürzester Distanz den Ball nicht im Tor unterbrachte (32.). „Ich war mir so sicher, dass wir beide Halbzeiten gewinnen. Aber wenn wir aus zwei Metern den Ball ins Seitenaus schießen, wird das schwierig“, war Richter fassungslos bei unserem fehlenden Abschlussglück. Ein Freistoß von Dane Kummerfeld, den der bestens aufgelegte Torhüter im Flug parierte (39.), ein Kopfball von Nick Selutin, der knapp am Tor vorbei ging (44.) – beste Chancen blieben liegen.
„Wir hatten sehr viel den Ball und konnten den Gegner laufen lassen. In der ersten Halbzeit haben wir aber zwingende Aktionen nicht sauber genug zu Ende gespielt, waren unglücklich im Abschluss. In der zweiten Halbzeit hat man gemerkt, dass wir es nochmals mehr wollten“. Und so kam Richters Mannschaft mit viel Schwung aus der Kabine, belagerte das Tor der Gastgeber regelrecht. Immer wieder flogen die Flanken von Dane Kummerfeld und Henok Tewolde gefährlich in den Strafraum. Doch Niemann verpasste um eine Fußspitze (47.), Selutin köpfte erneut knapp am Tor vorbei (53.), James traf nach einer Kummerfeld-Flanke den Ball nicht richtig (54.), Warnecke klärte vor dem einschussbereiten Falk Gross (56.), Fabian Grau stochert den Ball knapp am Pfosten vorbei (61.), Selutin wurde nach einem Solo von Tewolde im letzten Moment abgegrätscht (64.) – Wahnsinn, was alles liegen blieb.
Symptomatisch für das Spiel die 67. Spielminute. Ein Kummerfeld-Einwurf wird per Kopf verlängert, Jack James traf mit seinem Fallrückzieherversuch den Ball nicht, Nick Selutin traf am Ball vorbei, doch am Sechzehner lauerte Moritz Niemann, der sich ein Herz fasste, den Ball flach rechts unten einschweißte und für Jubel und Erleichterung auf Norderstedter Seite sorgte. „Endlich mal! Mir wurde ja oft genug gesagt, ich soll mal aus der zweiten Reihe abziehen. Da dachte ich mir ‚gut, dann mach ich das mal‘. Vielleicht muss man dann auch mal die Brechstange auspacken. Da war ein bisschen mehr Entschlossenheit, vielleicht auf Grund der letzten Wochen auch ein bisschen Wut dabei. Von daher war es ganz schön, dass er dann durchgerutscht ist“, beschrieb der Torschütze den Dosenöffner, der auch seinem Trainer Erleichterung verschaffte. „Wir haben viele Bälle in der Box gehabt, waren teilweise am ersten Ball dran, der nicht reinging. So war es jetzt ein dritter Ball, der uns vor die Füße springt und genau das ist wichtig, dass wir dann da sind. Niemo hat in seiner Entschlossenheit heute ganz klar gesagt, dass er seinen Teil dazu beitragen will, der Pokal für uns hier heute nicht endet und hat uns mit seinen zwei Toren dann natürlich auf die Siegerstraße geschossen.“
Denn Niemann hatte nun Blut geleckt. Die gefühlt 387. Flanke von Dane Kummerfeld erreichte in der Mitte kein Spieler, doch Niemann tauchte am langen Pfosten auf und feuerte die Kugel mit vollem Risiko aus spitzem Winkel in die Maschen – das 2:0 und damit die Entscheidung (73.). Nils Brüning (78.) und Selutin (79., 90.+1) hätten das Ergebnis noch deutlicher gestalten können, scheiterten aber jeweils am Torhüter des Landesligisten.
„Das verlorene Pokalfinale vom letzten Jahr ist natürlich noch ein bisschen bei mir im Kopf drin, wobei die Vorzeichen natürlich andere sind. Hier ist die klare Erwartungshaltung, dass wir das Ding holen, bei Paloma war es eher die Kirsche auf der Sahnetorte. Aber ganz klar: Wir sind jetzt in jede, Spiel Favorit und wollen das Ding holen“, machte Matchwinner Niemann nach dem Spiel klar.
Sein Trainer blickte dagegen schon sorgenvoll Richtung kommenden Sonntag, wenn es zu Blau-Weiß Lohne geht. „Neben der Liga war es eine klare Aufgabe, im Pokal zu überwintern. Wir haben die Mission Pokal bislang erfolgreich gestaltet, obwohl die Mannschaft mit diesen ganzen Rückschlägen zu kämpfen hat. Wir mussten direkt vor dem Spiel wieder verletzungsbedingt Veränderungen vornehmen und auch im Spiel wieder verletzungsbedingt wechseln“, sprach Richter den kurzfristigen Ausfall von Yannik Nuxoll sowie die Auswechselung von Saibo Ibraimo, der mit Wadenproblemen zu kämpfen hatte, an. „Leider zieht sich nicht das Thema „erfolgreiche Spiele“, sondern das Thema „Verletzungen“ wie ein roter Faden durch unsere Saison. Deswegen ist es umso schöner, dass die Mannschaft sich auch belohnt hat und wir nun im Pokal unter den letzten acht sind. Und ja, ich glaube, da gehören wir auch hin. Jetzt müssen wir aber erst mal gucken, welche Spieler morgen Abend überhaupt sich noch bewegen können.“