Koch sei Dank: Einmal Himmel, Hölle und zurück

FC Süderelbe
FC Süderelbe
3 : 5
FC Eintracht Norderstedt
FC Eintracht Norderstedt
Dienstag, 8. Oktober 2024 · 19:30 UhrLOTTO-Pokal | 4. Runde

Schiedsrichter: Ben Henry UhrigLinienrichter: Schams Golzari, Fabian Rother

Zuschauer: 287

90

Spielbericht vom 9. Oktober 2024

Der Spielbericht wird präsentiert von:

    Es gibt Spiele, da fällt einem kaum was für einen Bericht ein. Es gibt Spiele, da fällt einem eine Menge ein. Und es gibt Spiele wie das heutige Pokalspiel beim FC Süderelbe, wo man bis drei Uhr nachts schreiben kann und immer noch nicht alles gesagt hätte.

    Dabei begann alles nach Plan: Nach zweieinhalb Minuten hatten wir bereits vier Eckbälle auf der Haben-Seite, die alle eine gewisse Gefährlichkeit mit sich brachten. Moritz Niemann verfehlte zunächst aus der zweiten Reihe (6.), glänzte dann aber als Vorbereiter mit einem Chip-Ball auf Manuel Brendel, der sich gegen zwei Süderelbler durchsetzen und zur Führung einschießen konnte (10.).

    Nick Selutin hätte gleich zwei Mal auf 2:0 stellen können (12./15./26.), dann hätte ein zu unpräziser Rückpass Manuel Brendel um ein Haar das zweite Tor gebracht, doch Torhüter Anton von Westerholt war gerade noch rechtzeitig zur Stelle (27.). Im Gegenzug hatte Davis Boateng die erste richtige Chance für Süderelbe – und was für eine! Sein Schuss vom linken Strafraumeck touchierte noch die Latte, Dave Ceesay wäre chancenlos gewesen (28.).

    Fünf Minuten später hatte Ersin Zehir einen Geistesblitz, schickte Henok Tewolde steil, der den Ball über den herausstürzenden Torhüter der Gastgeber lupfte – Manuel Brendel ging auf Nummer sicher und drückte die Kugel aus einem Meter zum 2:0 über die Linie (33.).

    Nach einer Doppelchance durch einen Freistoß von Nick Selutin und einen Kopfball von Moritz Frahm hätte es zur Pause 3:0 stehen müssen, doch Torhüter von Westerholt war zwei Mal zur Stelle (39.) und hielt seine Mannschaft im Spiel.

    In der ersten Halbzeit waren wir sehr, sehr klar und erfolgreich in unseren Aktionen. Gute Standards, gute Umschaltmomentan, tolle Ballbesitzphasen. Wir haben wenig Zwingendes zugelassen, sondern eher das dritte Tor vor der Pause verpasst“, fand Trainer Jean-Pierre Richter nur wenig kritikwürdiges an der guten ersten Hälfte. Doch vorzeitige Glückwünsche zur Pausenführung wurden umgehend abgewiegelt: Der Mythos Kiesbarg hat schon für so manche Überraschung gesorgt, das weiß niemand besser als unser Trainer.

    Wie sich später herausstellen sollte, hatte er mit der Einschätzung vollkommen recht. Süderelbe kam schwungvoll in den zweiten Durchgang, doch unsere Mannschaft hielt dagegen, bis diese Phase überstanden war. Dann wurde die Partie ruhiger, man hatte das Gefühl, dass der Favorit alles im Griff hat und die Partie sicher nach Hause schaukeln wird, zumal Manuel Brendel das 3:0 auf dem Fuss hatte, nach guter Vorarbeit von Falk Gross aber nur die Latte traf (60.).

    Doch das Gegenteil war der Fall, der Lattentreffer war der Auftakt zu einer völlig wilden Schlussphase.  Aus dem Nichts traf Marcel Andrijanic mit einem abgefälschten Schuss zum 1:2 (67.). Und plötzlich erwachte der Mythos Kiesbarg zum Leben. „Das ist das, was ich an diesem Sportplatz einfach liebe, was ich hier damals selbst erleben durfte“, schwärmte Richter von seiner alten Heimat, auch wenn er darauf heute gerne hätte verzichten können. „Das ist der Kiesbarg, das ist der Kiesbarg-Flair. Flutlicht, Abendspiel. Wenn hier ein Tor für die Heimmannschaft fällt, ist alles möglich, das wussten wir.“ So war es auch heute: Alexander Koval jagte den Ball – erneut abgefälscht - an die Latte, den Abpraller köpfte Niklas Kiene zum umjubelten Ausgleich ein (73.).

    Der Oberligist hatte nun Blut geleckt, wollte mehr – und ging durch den sträflichst freigelassenen Theodoros Ganitis, der eine Andrijanic-Flanke einköpfte - sogar in Führung (82.). Die Sensation lag in der Luft, sie war spürbar. „Da muss man auch ein großes Kompliment an Stefan und seine Jungs machen, dass sie da eben uns dann wirklich nicht nur auf dem falschen Fuß erwischt, sondern komplett ausgehebelt haben. Die Art und Weise, wie wir die Gegentore kriegen, ist aber absolut ungenügend und nicht das, was wir verlangen.“

    Doch plötzlich ging ein Ruck durch unsere Mannschaft, die sich nach einer guten ersten Halbzeit und einer bescheidenen zweiten Hälfte so nicht aus dem Pokal verabschieden wollte und das Gaspedal nochmal durchdrückte.

    Nach einem schnell ausgeführten Freistoß war Ersin Zehir durch, Torhüter von Westerholt riss geistesgegenwärtig die Arme hoch und parierte (83.). Der folgende Eckball landete auf dem Kopf von Moritz Frahm – wieder war von Westholt zur Stelle!

    In der Schlussminute wurde es so richtig hektisch. Ein Foul gegen den eingewechselten Phil Sieben wurde folgerichtig mit Freistoß geahndet, worauf es rund um den Ort des Geschehens etwas rudelte. Co-Trainer Heiko Klemme beschwerte sich lautstark, dass der Freistoß fünf Meter weiter weg gewesen sei (war er nicht) und sah die gelbe Karte. Daraufhin kam er aufs Spielfeld und diskutierte weiter mit Schiedsrichter Uhrig, der kein Pardon kannte und ihm die Gelb-Rote Karte zeigte. Zuvor war bereits Chef-Trainer Stefan Arlt ebenfalls mit der Ampelkarte belegt worden.

    Es ist auch wichtig, dass wenn man hinfällt, wieder aufsteht. Und die Mannschaft ist aufgestanden, sie hat sich ins Elfmeterschießen gearbeitet“, lobte Richter die Mentalität, die seine Mannschaft heute an den Tag legte. Denn Philipp Koch griff sich den Freistoß, drehte den Ball an der Mauer vorbei ins kurze Eck – der späte Ausgleich in der Nachspielzeit, ausgerechnet von Kocher, der in der bisherigen Saison kaum zum Einsatz kam (90.+2). Wem gönnt man so ein wichtiges Tor mehr als dem ewigen Kocher? Rhetorische Frage. Niemandem.

    Das Momentum lag auf unserer Seite, wir wollen das Elfmeterschießen vermeiden und den Sieg noch in der regulären Spielzeit erlangen, doch es reichte nur noch für den negativen Höhepunkt des Spiels, als Theodoros Ganitis im Mittelfeld mit offener Sohle in Moritz Frahm reinsprang – klarer kann eine Rote Karte nicht sein, was Schiedsrichter Uhrig genau so sah (90.+5). Damit stand es nach Ablauf der regulären Spielzeit 3:3-Unentschieden – es ging ins Elfmeterschießen.

    Als es 3:3 stand und ins Elfmeterschießen ging, habe ich gesagt ‚Okay, wir sind es gestern im Training nochmal durchgegangen‘, da war ich sehr selbstbewusst“, blickte Richter auf die kurze Phase zwischen Abpfiff und Elfmeterschießen zurück. „Als ich dann aber gesehen habe, dass die Jungs, die eigentlich schießen sollten, nicht schießen wollten, war ich nicht mehr so überzeugt… Wir haben dann gesagt: Die, die sich gut fühlen, sollen schießen. Die Intensität in dem Spiel war hoch, nicht jeder hatte die Frische und die Ruhe. Deswegen haben wir versucht, den Puls zu regulieren. Letzten Endes ist ein Elfmeterschießen immer eine Sache von Überzeugung, Entschlossenheit und einem Gefühl der Sicherheit.“

    Die Sicherheit ging aber dem einen oder anderen Spieler auf dem Feld ab: Es folgte das vermutlich schlechteste Elfmeterschießen der jüngeren Geschichte: Die ersten vier Elfmeter wurden allesamt verschossen. Von Westerholt hielt gegen Nuxoll, Andrijanic schoss drüber, Brendel und Apau trafen jeweils den Pfosten, ehe ausgerechnet Moritz Frahm, der nach dem Foul von Ganitis kurz zuvor kaum noch laufen konnte, für die Norderstedter Führung sorgte. Nachdem auch noch Masombo die Kugel in den Fischbeker Nachthimmel jagte, blieb Philipp Koch cool und erhöhte auf 2:0. Wenn schon eine schöne Story, dann auch richtig! Ein Elfmeterschießen zu null zu gewinnen, schafft man auch nicht alle Tage.

    Danach musste Bektas treffen, um Süderelbe im Pokal zu halten – doch er schob den Ball Dave Ceesay quasi in die Arme, den dieser daraufhin nach einem verrückten Spiel und einem „zu null“ im Elfmeterschießen mit nur einem gehaltenen Ball wie eine Trophäe in die Luft reckte. „Daves Aura war heute einfach größer“, mutmaßte unser Trainer mit einem Lachen. Vermutlich hatte der Ball Angst vor ihm.

    Eine souveräne erste Halbzeit gefolgt von einer Zitterpartie nach dem glücklichen Anschlusstor und eine Energieleistung zum Schluss, mit der das Spiel wieder gedreht wurde. Das zeigt: Wenn unsere Mannschaft als Mannschaft auftritt und mit- und füreinander kämpft, ist alles möglich. Gekrönt wurde das ganze durch den Feel Good-Moment, das ausgerechnet Philipp Koch für uns zum Matchwinner wurde. „Kocher ist immer Man Of The Match“, stellte Richter schmunzelnd die Wichtigkeit von PK13 heraus, selbst wenn er nicht auf dem Feld steht. „Er ist immer für die Mannschaft da, geht mit seiner Erfahrung voran und ist vor allem für die jungen Spieler ein Vorbild, wie man sich auf ein Training und den Spieltag vorbereitet. Er akzeptiert seine Rolle in der Mannschaft, ohne zu murren, so dass – glaube ich – jeder Spieler und jeder im Trainerteam Fan von ihm ist und er hier diesen Stellenwert hat und diesen Respekt genießt. Ich freue mich sehr für ihn, dass er in diesem Spiel den Unterschied machen konnte.“

    Am Ende war es hochemotional, jede Faser hat gelitten. Am Ende hat man gesehen: Egal ob Regionalliga oder Oberliga, es ist ein immenser Druck, eine große Verantwortung im Elfmeterschießen. Wir haben das mit 2:0 gewonnen und sind heute der glückliche Gewinner.“

    Mit dem Sieg in Neugraben-Fischbek ziehen wir als letzte Mannschaft ins Achtelfinale des LOTTO-Pokals ein, wo es in der letzten Oktober-Woche zum SC Nienstedten geht.

    Auch wenn es ein schweres Spiel war: Ein Sieg nach so einem Auf und Ab, wo man mit dem Rücken zur Wand stand, kann auch etwas Positives bewirken, die Mannschaft näher zusammenrücken lassen und Kräfte freisetzen, lässt sich aus diesem Spiel auf jeden Fall etwas Positives mitnehmen. “Diese Energie und diese Leidenschaft, dass die Spieler nach dem Spiel zu mir kommen und sagen ‚Coach, wir haben doch gesagt, wir gewinnen das Spiel für dich‘, weil sie wissen, dass mir Süderelbe auch viel bedeutet… Das ist jetzt auch schon eine kleine Liebeserklärung an meine neue Mannschaft, dass sie sich dann hinten raus nicht aufgegeben hat, sondern für sich und ihre Ziele, aber natürlich auch für meinen großen Traum, hier mit Norderstedt erfolgreich zu sein, alles gegeben hat. Deswegen bin ich da natürlich auch total dankbar und weiß das auch zu schätzen, dass wir gemeinsam heute so viel Spirit und so viel Energie freigesetzt haben. Ich habe der Mannschaft auch eben im Kreis gesagt: Wir sind morgen größer als wir gestern waren. Denn ich glaube, dieses Spiel hat uns wachsen lassen.“

    Und vielleicht sind wir Sonntag ja noch ein Stück größer. Dann ist um 14.00 Uhr der FC Teutonia 05 im Edmund-Plambeck-Stadion zu Gast.

    Das Video zum Spiel