Sportchef Denny Schiemann im Gespräch
Artikel vom 29. Dezember 2023
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Seit mittlerweile anderthalb Jahren ist Denny Schiemann bei uns. Angefangen hat er zunächst etwas im Hintergrund als Video- und Spielanalyst. Im Sommer ist er als Sportlicher Leiter mehr in den Fokus gerückt. Grund genug, uns zum Ende des Jahres 2023 einmal mit Denny zu unterhalten.
EN: “Bislang warst du vorrangig im Hintergrund tätig, so dass viele dich noch gar nicht so richtig kennen. Magst du mal ein paar Worte zu dir verlieren?”
DS: “Sehr gerne. Ich bin 34 Jahre alt und habe bis Sommer 2022 beim USC Paloma in der Oberliga selbst aktiv gespielt. Mit der Geburt des ersten Kindes wurde das mit dem aktiven Fußball schwieriger, so dass ich meine aktive Karriere beendet habe. Parallel habe ich bereits zu meiner aktiven Zeit berufsbegleitend an der Sporthochschule in Köln Spielanalyse studiert. Dann hat Femi (Anm: unser langjähriger Trainer Olufemi Smith) mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, das Projekt in Norderstedt zu begleiten. Und dann kam eins zum anderen. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, im Hintergrund die Gegner zu analysieren und die Liga kennen zu lernen. Darüber habe ich dann gesehen, was wir aus meiner Sicht im Verein noch verbessern können, auch beim Thema Kaderplanung, und was man da noch an Strukturen schaffen muss. Wir sind dann in den engen Austausch gegangen und so ist im Sommer die Position des Sportlichen Leiters entstanden. Es ist viel Arbeit, macht aber auch super viel Spaß.”
EN: “Die Stelle als Sportlicher Leiter ist natürlich nochmal intensiver durch die vielen Gespräche, die man führt, während du als Spielanalyst ja zu einem Großteil unabhängig von anderen Personen arbeiten konntest. Jetzt bist du frisch verheiratet, mit Kind, mit Job... wie bekommst du das unter einen Hut?”
DS: “Das ist manchmal schon nicht einfach. Hauptsächlich gutes Zeitmanagement und viel Geduld von Frau und Kind. Beim Sohnemann wird es jetzt mit anderthalb Jahren natürlich schwieriger mit der Geduld. Dazu muss man natürlich sagen, dass auch der Job des Spielanalysten sehr aufwändig ist, auch wenn es nach draußen nicht für jeden sichtbar ist. Aber ich habe ja auch einen gewissen Qualitätsanspruch an mich. Pro Gegner habe ich etwa vier Spiele geguckt. Die Spiele zu gucken und zusammenzuschneiden kostet auch viel Zeit. Man guckt die Spiele ja nicht nur, sondern muss sie auch analysieren und bewerten, was als Informationen relevant für die Mannschaft ist.
Jetzt hat sich die Arbeit an sich natürlich verändert. Man guckt sich weiterhin viele Spiele an, aber viele auch hier im Verein von der U23 und der U19. Welche potenziellen Talente schlummern da und wie kann man Strukturen schaffen, diese auch innerhalb des Vereins auf das nächste Level zu heben?
Rein vom zeitlichen Ablauf her versuche ich, mir Zeitblöcke für organisatorische Themen zu setzen. Max Krause und ich haben zum Beispiel unseren Jour Fix am Montagmorgen, wo wir die Woche einmal durchsprechen. Meistens reicht die angesetzte Stunde dafür aber nicht aus, es wird fast immer ein wenig ausgedehnt... Donnerstag ist der Tag, wo ich immer versuche, vor Ort zu sein. Ich bin beruflich viel unterwegs, deswegen werden viele Sachen auch auf moderne Medien ausgelegt. Mit Geschäftsführer Finn Spitzer und Präsidentin Julia Karsten-Plambeck machen wir häufig Videokonferenzen, wenn ich mit dem Kleinen auf dem Spielplatz bin, sind es auch mal klassische Telefonate... da muss man schon sehr flexibel sein, um alles unter einen Hut zu bekommen.”
EN: “Du hast als Video- und Spielanalyst angefangen, bist jetzt Sportchef. Ist das so ein wenig die logische Folge, weil man da sehr viele Spieler sieht, dass man das schon so ein halber Scout ist?”
DS: “Ich glaube nicht. Ich kann mich zumindest nicht an so viele Fälle erinnern, wo ein Spielanalyst direkt in die Position des sportlichen Leiters gerutscht ist. Viele meiner Kollegen, mit denen ich zusammen die Ausbildung gemacht habe, haben sich eher in dem Bereich vertieft, sind Co-Trainer geworden oder ins Scouting gegangen. Aber du hast natürlich recht, viele dieser Bereiche liegen sehr nah beieinander. Ich denke, es hilft ungemein, wenn man in dieser Position nicht nur die Liga kennt, sondern auch das Spiel bewerten kann, um zu schauen, wer bei uns wirklich reinpasst. Und natürlich auch um bei uns zu erkennen, welche Potenziale wir zum einen haben, wo auf der anderen Seite aber in gewisser Weise auch Schwachstellen sind, um dann zu gucken, wie wir den Kader sinnvoll ergänzen. Es geht ja nicht nur darum zu gucken, was ein Berater meint. Wir wollen aktiv gucken, welche Spieler zu uns passen.”
EN: “Es geht also vorrangig darum, selbst aktiv Spieler auszuwählen und nicht zu gucken, was die Berater dir anbieten?”
DS: “Meine Überzeugung ist es, dass ein Verein dann erfolgreich ist, wenn er eine Idee hat und den Kader danach ausrichtet. Die Zusammenarbeit mit Beratern kann schon spannend sein. Die haben aber ihre eigene Perspektive und gucken nicht, welcher Spieler zu uns passt, sondern welchen Spieler sie im Angebot haben und wie sie den platziert bekommen. Wir dagegen müssen den Verein voranbringen. Wenn die sehen, dass ein Verteidiger ausgefallen ist, kommen die Anrufe “ich habe hier einen Verteidiger für Euch.” Aber die wenigsten gucken, ob der vom Alter, von den Fähigkeiten, auf Grund der Art wie wir Fußball spielen wollen überhaupt zu uns passt. Also ja, wir wollen viele Spieler aktiv selbst aussuchen, da müssen wir die Balance halten.”
EN: “Wir sind jetzt nicht unbedingt der Verein, der finanziell im vorderen Drittel mitspielt. Da kommt es dir sehr entgegen, dass du eine gefühlte Ewigkeit in der Oberliga Hamburg gespielt hast und da vermutlich jeden Trainer und Spieler kennst, oder?”
DS: “Klar, man kennt da schon seine Pappenheimer, die da rumlaufen, an der Seitenlinie und auf dem Spielfeld. Das ist gar nicht despektierlich gemeint, sondern im Gegenteil wirklich sehr wertschätzend. Ich habe in der Oberliga sehr gerne sehr viel Zeit verbracht. Ich glaube auch, dass es in der Oberliga sehr viele Spieler gibt, die – zumindest theoretisch – in einer anderen Liga spielen könnten. Man muss ich ja nur mal Dassendorf angucken, da kann fast die ganze Mannschaft eine Liga höher spielen. Aber es gibt dann halt immer Umstände, warum das nicht der Fall ist. Im Idealfall findet man dann junge Leute wie Elias Saad, die viel Potenzial mitbringen. Die Demut und die Bereitschaft haben, daran zu arbeiten. Diesen Weg zu gehen wie Elias, ist sicherlich außergewöhnlich. Aber ich glaube, dass das unser Weg sein muss.”
EN: “Damit legst du mir den Ball für die nächste Frage schon perfekt vor: Jeder hat ja so ein wenig seine eigene Vorstellung, wie man den Kader zusammenstellt. Wo wird für dich der Fokus liegen? Wirfst du dein Auge auf gestandene Regionalliga-Spieler oder geht es mehr in die Richtung 'Eintracht sucht den nächsten Elias Saad'?”
DS: “Man muss es immer ein wenig in Relation zur Liga und den Möglichkeiten sehen. Ich glaube, viele Vereine in Hamburg würden sich freuen, unter den Bedingungen, die wir hier haben, arbeiten zu können. Wenn man sich aber mit den Mannschaften in der Regionalliga vergleicht, sind wir sicherlich eher im unteren Mittelfeld anzusiedeln. Sicherlich auch nicht ganz unten, aber ich sage mal zwischen Platz 10 und 12 – immer auch abhängig davon, wer von unten hochkommt oder wer nochmal einen guten Sponsor irgendwo gefunden hat. Wenn wir genau so vorgehen wie die Mannschaften, die mehr Geld als wir zur Verfügung haben und unter Profi-Bedingungen arbeiten können, werden wir am Ende wahrscheinlich den Kürzeren ziehen.
Ich bin ein Freund davon, Sachen anders zu machen, anders zu denken. Durch meinen beruflichen Kontext mag ich es sehr, sich Sachen auch datenbasiert anzugucken. Wenn du es in Kategorien einteilen willst, würde ich eher den jungen, wilden Ansatz verfolgen. Das heißt natürlich nicht 'Der ist 18, 19 Jahre alt, kann dreimal gegen den Ball treten, alles klar, den nehmen wir', sondern dass wir die Balance finden. Wir wollen Spieler aus der eigenen U19 und U23, die vielleicht nicht sofort in die erste Elf kommen oder erstmal hinten dran stehen, selbst entwickeln und nicht von außen dazu holen. Ich halte es für sinnvoller, eine eigene Identität zu schaffen. Am liebsten wäre mir, wir hätten 23 Spieler, die alle eine Norderstedter Vergangenheit haben – auch wenn das auf dem Niveau natürlich nicht so ohne weiteres möglich ist.
Und das dann immer wieder ergänzen mit Spielern, die bei anderen Vereinen vielleicht nicht so sehr im Fokus stehen - wobei es natürlich immer schwieriger wird, diese zu erkennen – diese aus der Oberliga mit hinzuzuholen und ihnen die Komponenten, die bisher vielleicht noch für mehr fehlten, mitzugeben.
Das kann wie bei Elias sein, dass die Körperlichkeit nochmal ein Schritt ist, vielleicht ist es auch die Spielgeschwindigkeit. Manchmal ist es auch einfach, dass man durch bessere Mitspieler nochmal einen Sprung macht. Dadurch kommen einige Talente noch eher zum Tragen als in einer schwächeren Liga. Genau da ist meine Aufgabe: Diese Spieler herauszufiltern und eine Mischung zu finden. Dafür braucht es aber natürlich auch die dritte Komponente des Ganzen: Die Achse aus erfahrenen Spielern, woran sich die jüngeren Spieler und die, die aus einer niedrigeren Liga kommen, orientieren können. Aktuell haben wir natürlich einige Spieler dabei, die schon ein bisschen was gesehen haben in der Fußballwelt und das soll auch weiterhin so bleiben. Aber die anderen zu finden, ist sicherlich die größere Herausforderung.”
EN: “Das heißt, der Stellenwert der U19 und U23, der in den vergangenen Jahren ja immer größer geworden ist, wird weiterhin sehr hoch sein?”
DS: “Definitiv. Also mein Idealbild ist, dass die U23 es wirklich schaffen würde, in die Oberliga zu kommen. Das ist schon jetzt außergewöhnlich, was Mile (Anm.: U23-Teammanger Milenko Mutapdzija) und Jannik (U23-Trainer Jannik Paulat) da leisten. Dafür wünsche ich den Jungs nur das Allerbeste. Für die Zukunft des Vereins wäre ein Oberliga-Aufstieg fantastisch, weil es uns dann zum einen noch leichter fallen würde, gute Leute in der Oberliga zu identifizieren, weil wir häufiger gegen sie spielen, zum anderen die Spieler auf einem guten Niveau entwickeln können. Es ist einfach immer noch ein sehr großer Sprung von der U19-Regionalliga zur Herren-Regionalliga. Man hat immer mal wieder Spieler dabei wie Benjamin Dreca oder Florian Meier in dieser Saison, die es schaffen können. Bei Benni (Anm.: Seit Sommer beim TSV Sasel) sieht man in dieser Oberliga-Saison, dass es wertvoll ist, dauerhaft auf einem höheren Niveau zu spielen, um so eventuell den nächsten Schritt zu machen.”
EN: “Also lieber mal einen halben Schritt zurück machen, um neu Anlauf zu nehmen?”
DS: “Genau. Wobei es für mich noch nicht mal ein Schritt zurück wäre, aus der U19-Regionalliga in die Oberliga zu gehen. Das ist eine Liga, die adäquat dazu ist, wo man sagt 'wenn du da außergewöhnlich bist, hast du danach die Möglichkeit, den nächsten Schritt zu gehen'. Aber du hast dich schon mal an den Herrenbereich gewöhnt und erste Erfahrungen gesammelt. Wenn wir das im eigenen Verein sicherstellen könnten, wäre das großartig. Man müsste ja nicht einmal auf die Wechselperioden warten, sondern könnte sagen 'der ist gut in Form, der passt, der kann bei uns oben schon mal mittrainieren' und in den Kader rutschen.
Das sind natürlich Wünsche, die wir haben und zum Teil auch schon leben. Es gibt einen sehr engen Austausch mit der U19 und der U23. Im Idealfall sind im Training immer wieder drei bis vier Spieler aus U19 und U23 dabei, so dass wir auch da die Möglichkeit haben, Potenzialspieler zu erkennen. Wir gucken uns auch die Spiele an und sind im engen Austausch. Maurice Lüllemann ist da ein gutes Beispiel. Der ist jetzt 19, hat aber in der U19 auf Grund von Verletzungen relativ wenig gespielt. Max und ich haben ja sogar noch bei Paloma mit ihm zusammengespielt und wissen, dass er ein Guter ist. In der Landesliga hat er jetzt ein sehr gutes erstes halbes Jahr gespielt, auch wenn er immer wieder von kleineren Verletzungen geplagt war. Ihn können wir jetzt über die U23 sukzessive an die Regionalliga-Mannschaft heranführen. Bei einigen dauert es manchmal aus unterschiedlichsten Gründen ein bisschen länger, aber wir können ihnen in Zusammenhang mit der U23 den Weg zeigen. Dann liegt es an den Jungs selbst zu zeigen, ob sie auf dem Niveau spielen können. Wir haben ja viele Spieler, die diesen Weg gegangen sind und heute den Verein prägen wie Philipp Koch, Juri Marxen oder Dane Kummerfeld. Ich glaube, das ist für das Gesamtbild sowohl nach außen als auch nach innen superwichtig.“
EN: “Ein schönes Beispiel ist sicher auch Lars Kuchenbecker. Der kommt zwar nicht aus unserer U19, ist aber als 18jähriger schon Kapitän unserer U23-Mannschaft geworden und hat diese bis in die Landesliga geführt, ist da immer noch Leistungsträger und darf regelmäßig oben mittrainieren...”
DS: “... und hat im Herbst sein Regionalliga-Debüt gegeben. Zwar aus personellen Engpässen, aber er hat gleich gezeigt, dass bei ihm auch Regionalliga möglich ist. Das war jetzt natürlich nur ein Spiel, die Aufgabe ist, das auf konstantem Niveau abzuliefern. Aber er ist ins kalte Wasser geworfen worden und hat gezeigt, dass er mit der Situation umgehen kann. Das ist etwas, was du in der Landesliga nicht simulieren kannst mit kernigeren Gegenspielern, höherem Tempo und den anderen Rahmenbedingungen. Da hat er Pluspunkte gesammelt. Lars wird, genau wie Maurice Lüllemann, bei uns jetzt im Winter die Vorbereitung mitmachen. Sie haben beide sehr, sehr gutes Potenzial, aber auch Themen, an denen sie arbeiten müssen. Und an denen werden sie auch arbeiten und dann kann das ein Weg sein, den wir gemeinsam erfolgreich gehen können.”
EN: “Wenn man die Durchlässigkeit von der U19 nach oben mit dem Umweg über die U23 hinbekommt, macht das ja unsere U19 auch deutlich interessanter für Spieler, die vielleicht im Augenblick noch eher nach Niendorf, zum ETV oder Vorwärts Wacker tendieren.”
DS: “Im besten Fall ist es eine Spirale für alle drei Mannschaften nach oben. Mile berichtet auch, dass die U23 wesentlich mehr Anfragen erhält, seitdem Spieler wie Ayoub Akhber oder Dave Ceesay den Sprung nach oben geschafft haben. Und es zeigt sich jetzt ja immer mehr, dass das keine Eintagsfliege war, sondern der Weg nach oben offen ist. Lars Kuchenbecker hat seine ersten Spiele gemacht, Maurice Lüllemann und Bojan Lukic waren mit im Kader. Ich glaube das sind alles Beispiele, die auch nach außen aufzeigen, dass dir hier nicht nur was erzählt wird, sondern du auch wirklich die Möglichkeit bekommst dich zu entwickeln.”
EN: “Es ist lange her, dass sich ein Spieler aus der eigenen U19 oben durchsetzen konnte.”
DS: “Wenn wir Benni Dreca nehmen oder jetzt Florian Meier, die kamen auf ihre Minuten und machten ihre Entwicklungsschritte. Man kann aber von einem jungen Spieler nicht erwarten, dass er sofort Stammspieler und der Star der Regionalliga ist. Es braucht eine Zeit, bis es sich einpendelt. Da ist eine U23 auf gutem Niveau natürlich eine passende Brücke. Denn am Ende hat man auch in der Regionalliga nicht ewig Zeit und nur eine begrenzte Zahl an Kaderplätzen, manchmal mangelt es auch den Spielern an Geduld. Da muss man dann gucken, ob das ein Weg ist, den man gemeinsam weitergehen will oder man schaut, ob vielleicht von unten jemand nachrückt.
EN: “Du hast jetzt als sportlicher Leiter das erste halbe Jahr hinter dir. Das war in allen Bereichen sicherlich ein sehr intensives halbes Jahr. Das Pokalaus bei Paloma, der Abschied von Femi, der ja – vorsichtig gesagt – sehr unglücklich rüberkam, dann nach einem halben Jahr einarbeiten der Abschied von Reenald. Wie hast du dein erstes halbes Jahr als Sportchef erlebt?”
DS: “Intensiv trifft es ganz gut. Mir hat sehr geholfen, dass ich den Verein schon aus dem Innenleben heraus kennenlernen, mit begleiten und gestalten durfte. Dadurch dass sich meine Rolle geändert hat, hat sich beispielsweise auch meine Situation am Spieltag verändert. Vorher war man Teil des Trainerteams, hat bei der Aufstellung mit Gegnervorbereitung noch mal reingeguckt oder Sachen mit aufgebaut. Jetzt sind es viele organisatorische Themen. Man guckt sich das anders an, spricht mit den Verantwortlichen des Vereins.
Aber um auf diese intensive Zeit noch mal zurückzukommen. Dass wir im Pokal dieses Jahr so früh die Segel streichen mussten, war etwas, womit wir alle nicht gerechnet haben. Das ist etwas, was seine Spuren hinterlassen hat, weil es das zweite Mal hintereinander war, dass wir früh gegen einen Oberligisten ausgeschieden sind. Ich finde, es kommt auch immer auf die Art und Weise an. In der vergangenen Saison hat der HEBC unter den gegebenen Rahmenbedingungen das Spiel besser angenommen als unsere Mannschaft. Und dieses Jahr war es so, dass wir eigentlich perfekt gestartet sind. Du führst 1:0 und verlierst am Ende 1:3, stehst dann bedröppelt da und hast eigentlich im August schon eines deiner großen Ziele begraben müssen. Das war nicht einfach.
Danach begann eine recht turbulente Zeit, wo wir immer wieder intensiv gesprochen haben. Da hatten wir dann noch eine Phase, wo wir uns kurz wieder fangen konnten, auch gute Ergebnisse erzielt haben, aber auch wiederum... sagen wir mal “interessante Spiele” wie das 5:6 beim Bremer SV, was ich so noch nie erlebt habe. Und dann verlierst du beim Tabellenletzten Eimsbütteler TV mit 0:5, wo wir dann gemeinsam entschieden hatten, Femi freizustellen.
Und weil du es angesprochen hast: Absolut. Femi und am Anfang auch Jens Martens haben ein Konstrukt geschaffen, was sich absolut sehen lassen kann. Da muss man ihnen auch wirklich großen Dank aussprechen. Die Struktur, die sie geschaffen haben, das System, das sie implementiert haben, hat über die Jahre gute Ergebnisse erzielt. Wir haben uns aber nach dem wiederholten Pokalaus gegen einen Oberligisten und den Negativerlebnissen in der Liga für eine Veränderung auf der Trainerposition entschieden.
Wir haben bei der Verabschiedung von Femi viel gelernt und es leider nicht geschafft, unsere Wertschätzung für seine Arbeit und ihn als Mensch zum Ausdruck zu bringen. Das werden wir in Zukunft besser machen. Das nehme ich auf meine Kappe. Ich weiß auch, dass man es beim nächsten Mal - und ich hoffe, dass wird ganz, ganz lange nicht der Fall sein – anders machen muss.
Ich wünsche Femi und seiner Familie auf seinem Weg alles Gute.
Ich möchte auch zu Reenald noch ein paar Worte sagen. Reenald ist Eintracht Norderstedt. Er hat den Verein mit Herzblut aufgebaut und es dabei geschafft, den Verein in der Regionalliga zu etablieren und klasse Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist eine Leistung die seines Gleichen sucht in Hamburg und Umgebung. Ich erlebe Reenald als einen Menschen mit unglaublich viel Lebenserfahrung und Kompetenz. Es macht mir Spaß, mit ihm über Dinge zu diskutieren. Das heißt nicht, dass wir immer einer Meinung sind. Aber ich empfinde unsere Gespräche und das Verhältnis als sehr wertschätzend. Er kann knallharte Entscheidungen treffen, aber auch warmherzig und gutmütig sein. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir die
Chance gegeben hat, in die neue Rolle hineinzuwachsen. Das ist nicht selbstverständlich und weiß ich absolut zu schätzen. Ich wünsche Reenald für die Zukunft alles erdenklich Gute und noch einige Siege auf dem Golfplatz."
EN: “In dem Zusammenhang mit Reenalds Abschied stand gerade im Kicker, dass 11 von 18 Regionalliga Nord-Vereinen unter Profibedingungen arbeiten. Wir sind keiner davon. Wie siehst du mittelfristig die Zukunft von Eintracht Norderstedt. Was ist zu erwarten oder besser: Was ist unter den Bedingungen überhaupt möglich?”
DS: “Ich glaube, was wirklich ganz wichtig ist, ist mittelfristig einen eigenen Weg hinzubekommen. Wenn wir das genauso machen wie die anderen, die mehr Mittel als wir zur Verfügung haben, werden wir sukzessive immer weiter abrutschen. Unser Ziel muss es sein, die drittbeste Mannschaft in Hamburg zu sein. Das wird unter den gegebenen Rahmenbedingungen immer schwieriger. Aber nichtsdestotrotz scheuen wir uns nicht, ambitionierte Ziele für uns in Anspruch zu nehmen. Das Ziel ist natürlich auch, den DFB-Pokal zu gewinnen...”
EN: “Haha, das ist mal ein schönes Ziel, vielleicht etwas zu ambitioniert...”
DS: “Haha, Entschuldigung. Den DFB-Pokal zu erreichen. Den LOTTO-Pokal zu gewinnen, natürlich... in der Liga wollen wir eine sehr gute Rolle spielen. Erstes Ziel wird hier immer sein, frühzeitig den Klassenerhalt zu schaffen und dann im besten Fall einen einstelligen Tabellenplatz zu erzielen. Wir müssen es immer wieder schaffen, schlauer und besser zu arbeiten als diejenigen, die die mehr Geld zur Verfügung haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich das auf Dauer irgendwann auszahlt und die Platzierung erreicht.
Das müssen wir jedes Jahr neu beweisen und im besten Fall schaffen wir es, durch diese Identität und das Drumherum eine Umgebung zu schaffen, dass Leute und Spieler sagen: Ich spiele gerne hier. Ich brauche nicht für 1,50 Mark mehr außerhalb zu spielen, weil ich meine Zukunft in Hamburg sehe und ambitionierten Fußball spielen möchte. Und dass wir Zuschauer darüber für uns begeistern können, dass sie sagen: Das ist eine Mannschaft, mit der wir uns identifizieren können, die guten, attraktiven Fußball spielt. Eine Mannschaft, der wir auch mal Sachen verzeihen, weil sie einen besonderen Weg geht, weil Leute aus der eigenen U19 oder U23 mit dabei sind. Ich glaube, das wird mittelfristig ganz, ganz wichtig sein, dass man diese Erwartungshaltung sowohl innerhalb als auch außerhalb des Vereins den Gegebenheiten anpasst.
Bei 11 von 18 Vereinen bleiben nicht mehr so viele übrig, die nicht unter Profibedingungen spielen und die schlafen auch nicht. Da müssen wir versuchen besser zu sein. Das wird immer herausfordernder, da müssen wir dann einfach auch mehr Geduld haben oder auch mal Sachen gemeinsam aushalten, wenn es mal schlechtere Spiele gibt oder wenn die Ergebnisse nicht so sind, wie wir es uns wünschen.”
EN: “Also wäre es auch ein mögliches Ziel zu sagen, wir wollen die beste Nichtprofimannschaft sein?”
DS: “Es muss unter den jetzigen Bedingungen immer das Ziel sein, die beste Nichtprofimannschaft zu sein, ja. Wenn wir es schaffen, darüber zu sein, wäre das außergewöhnlich hoch anzurechnen.”
EN: “Wir stehen kurz vor dem Jahreswechsel, was auch immer so ein wenig der Startschuss in die neue Saison ist. Nimm uns mal ein wenig mit in deine Gedankenwelt. Wie ist der Ablauf, wann willst du die Mannschaft 2024/2025 komplett haben.”
DS: “Wenn du so fragst: Am liebsten natürlich morgen. Realistisch dürfte aber April oder Mai sein - allerspätestens aber zum Vorbereitungsstart, so wie wir es dieses Jahr auch hatten, damit man in der Vorbereitung gleich richtig arbeiten kann. Das Budget für die kommende Saison wurde kurz vor Weihnachten Tagen freigeben, so dass ich jetzt einsteigen kann. Aber natürlich habe ich mir auch vorher schon Gedanken gemacht, wer von außen uns theoretisch weiterhelfen könnten, weil wir das Thema jetzt sicherlich frühzeitiger angehen werden. Wir wollen möglichst früh mit potenziellen Neuzugängen sprechen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass da noch nicht so viele andere Vereine dran sind. Als erstes muss aber das Trainerteam und das Team ums Team stehen, das ist der erste Punkt. Denn das ist eine der ersten Fragen bei Gesprächen mit Spielern: Mit wem darf ich denn eigentlich zusammenarbeiten, wenn ich zu Euch komme?
Danach werde ich zum einen mögliche Neuzugänge kontaktieren und mal ausloten, ob grundsätzlich Interesse an einem Wechsel besteht, zum anderen natürlich auch mit den Spielern, die wir halten wollen, ins Gespräch gehen.
Grundsätzlich ist der Ablauf so, dass mit jedem Spieler ein Gespräch mit dem Trainerteam stattfindet, die den Status aus der sportlichen Sicht beurteilen. Danach findet dann ein Gespräch mit mir statt, um den Kader festzumachen. Und klar, am liebsten wäre mir, wenn wir mögliche Zusagen so früh wie möglich bekommen, denn der Sprung von der U19 oder der Oberliga in die Regionalliga ist schon gewaltig. Wenn wir da frühzeitig Zusagen haben, können wir schon schauen, wie wir den jeweiligen Spieler auf die kommende Saison einstellen können. Denn einer der Hauptaspekte wird sein, dass man gerade bei Spielern, die noch nicht Regionalliga oder höher gespielt haben, schon frühzeitig an Sachen arbeiten kann, die im talentfreien Bereich sitzen. Also nicht im rein fußballerischen, sondern zum Beispiel in der Ernährung oder der Athletik. Da kann man mit Fleiß viel wettmachen. Wenn man in dem Bereich gut arbeitet und die fußballerische Komponente später noch hinzukommt, hat man eine sehr gute Grundlage, um vernünftig zu arbeiten und nutzt die Zeit bis zum Sommer sehr gut aus.
EN: “Wie ist denn der aktuelle Stand?”
DS: “Aktuell haben wir sieben Spieler für die kommende Saison unter Vertrag...”
EN: “... das ist nicht viel...”
DS: “Genau. Deswegen wollen wir jetzt auch schon loslegen.”