Traumdebüt für Jonny Richter

Traumdebüt für Jonny Richter

Regionalliga 17.03.2024

Gedankenverloren stand Jonny Richter auf dem Spielfeld, während seine Spieler sich aufwärmten, und sog die Situation in sich auf. „Das ist für mich ein Ereignis, wo ich in den vergangenen Jahren als Trainer auch drauf hingearbeitet habe, wo ich hinwollte und wovon man auch ein Stück weit geträumt hat“, sagte er schon im Vorgespräch zum Spiel. Und nun war er in diesem Traum angekommen.

Dass seine Spieler ihm diesen Traum versüßen wollten, merkte man schon auf dem Hinweg nach Jeddeloh. Im Bus herrschte eine seltsame Aufbruchstimmung und die Überzeugung, dass man vom Gastspiel beim SSV Jeddeloh II nicht mit leeren Händen nach Hause fahren würde. Und das obwohl – oder gerade weil – man erneut mit personellen Problemen zu kämpfen hatte. Zwar saßen Andre Wallenborn und Yannik Nuxoll auf der Bank, sollten nach Möglichkeit aber nicht zum Einsatz kommen. U23-Kapitän Lars Kuchenbecker weilt im Urlaub, während sein U23-Kollege Armando Luso angeschlagen aus dem U23-Spiel am Freitagabend ging und nicht mitfahren konnte.

So machte Richter aus der Not eine Tugend und beorderte den etatmäßigen defensiven Mittelfeldspieler Marc Bölter an den Platz neben den einzig fitten Innenverteidiger Moritz Frahm. Um es vorwegzunehmen: „Die gesamte Defensive hat nach hinten sehr gut gearbeitet“, lobte Richter. Und Bölter „hat nur noch ein Tor zu einer 1+ gefehlt“. Neben Bölter glänzte insbesondere der omnipräsente Kapitän Ersin Zehir, der viele Bälle im Mittelfeld verarbeiten konnte und voranging. Zehir war auch der zentrale Punkt in der strittigsten Entscheidung des Spiels: Im Gerangel bei einem Eckball der Gastgeber ging Zehir mit einem lauten Schrei zu Boden, es gab eine Rudelbildung und drei gelbe Karten, von denen jedoch nur die gegen Yannik Nuxoll, der sich draußen warm machte und allzu lautstark protestierte, nachvollziehbar war. Warum Zehir selbst die gelbe Karte bekam, verwunderte ähnlich wie die Verwarnung gegen Jeddelohs Michel Hahn. „Es war eine klare Tätlichkeit, er hat mir mit dem Ellbogen in den Magen geschlagen“, beschrieb der Kapitän die Szene nach einer guten Stunde.

Bis so richtig Leben in die Partie kam, dauerte es jedoch eine Weile. So verkündete der Jeddeloher Stadionsprecher kurz vor der Pause 350 Zuschauer „die sich diesem fußballerischen Leckerbissen erwärmen.“ Das Einzige, was zu diesem Zeitpunkt lecker war, war die Jeddeloher Stadionwurst… ansonsten war es spielerisch in der ersten Hälfte auf dem unebenen Geläuf überschaubar.

Ersin Zehir hatte nach einer guten Minute die erste Möglichkeit, wurde aber zur Ecke geblockt. Dann dauerte es bis zur 25. Minute, ehe ein Ball Richtung Tor flog. Nick Selutin bekam die Kugel in den Lauf gespielt, schoss aus aussichtsreicher Position jedoch wenige Zentimeter am linken Pfosten vorbei. 120 Sekunden später köpfte Manuel Brendel eine Flanke von Juri Marxen knapp über den Querbalken.

Die Hausherren wurden erst kurz vor der Pause gefährlich, dafür dann aber richtig: Nach einer Flanke von der linken Seite kam am langen Pfosten Marcel Gottschling zum Abschluss, wurde aber von Kevin Prinz von Anhalt zur Ecke geblockt (41.). Der folgende Eckball resultierte in der größten Chance der weiß-blauen, Torhüter Lars Huxsohl reagierte glänzend (42.). Direkt im Anschluss foulte von Anhalt Simon Brinkmann an der Strafraumgrenze. Khasra Ghawilu trat den Ball durch die eng gestaffelte Mauer, doch erneut war Huxsohl zu Stelle und riss die Hände hoch (43.).

Es war ein ganz unbequemes, sehr ekliges Spiel. Das war uns aber von vornherein klar. Wir haben in der Halbzeit nochmal angesprochen, dass es heute nur über die Bereitschaft und die Widerstandsfähigkeit geht. In der zweiten Halbzeit haben wir das Tore-machen-wollen als Not mit in Spiel gebracht. Wir haben tolle Umschaltmomente drin gehabt und die Tore in den richtigen Momenten gemacht.

So direkt nach Wiederanpfiff: Nils Brüning lief Konstantin Engel früh an, der den Ball Richtung Mittellinie schlug. Dort köpft Ersin Zehir den Ball nach vorne auf Brüning, der direkt in die Gasse zu Manuel Brendel weiterleitete. Der tankte sich durch zwei Jeddeloher Verteidiger hindurch und schob den Ball an Torhüter Nikolaos Koliofoukas, der als „Fänger von der Akropolis“ angekündigt wurde, zur Führung vorbei ins Netz – da war der zweite Durchgang noch keine 60 Sekunden alt.

Jeddeloh wirkte geschockt, bei uns setzte der Führungstreffer Kräfte frei, allerdings kam nun mehr Hektik in die Partie, die immer wieder von kleinen Fouls geprägt war. Nick Selutin bekam den Ball in den Lauf gespielt, wurde bei seinem Versuch eines Lupfers aber zu weit abgetrieben (51.).

Dann der Schock: Lars Huxsohl winkte ab, musste ausgewechselt werden. Was war passiert? „Ich bin beim Abwehren eines Balls mit dem Daumen am Kopf des Gegners hängen geblieben“, beschrieb der 27jährige die Situation. Die medizinische Abteilung signalisierte sofort, dass gewechselt, werden müsse: Huxsohl hatte sich den Daumen ausgekugelt und fuhr sofort – noch im Trikot – zum Röntgen nach Oldenburg. „Lars hat uns in der schwierigen Phase, als wir das Tor verteidigen mussten, mit seinen Paraden ganz viel gegeben, dass wir diesen Sieg einfahren konnten“, hob Richter die Leistung des Keepers hervor. „Er hat uns gerade in der Phase vor der Halbzeit nicht nur im Spiel, sondern auch die Null gehalten, deswegen ist es natürlich um so enttäuschender, dass er verletzt raus musste.“

Für ihn kam Arne Exner in die Partie, der exakt zehn Sekunden später jubeln durfte: Den Abschlag Exners verlängerte Nils Brüning mit dem Kopf auf Manuel Brendel, der den Ball stark annahm und auf Kevin Prinz von Anhalt weiterleitete, der sich den Ball mit dem ersten Kontakt selbst vorlegte und mit dem zweiten von der Strafraumgrenze mit einem platzierten Flachschuss ins lange Eck traf (68.). „Neben dem weinenden Auge wegen des Ausfalls von Lars haben wir natürlich auch ein lachendes Auge, dass wir mit Arne dann auch einen Top-Torwart haben, der kalt ins Spiel kommt und dann direkt das 2:0 einleitet und kein Abfall da ist.“

Zwei Minuten später hatte der eingewechselte Eric Gueye das dritte Tor auf dem Fuß, zielte aber knapp drüber (70.). Danach passierte auf dem Spielfeld nicht mehr viel, unsere Jungs hatten die Partie gut im Griff, ließen erst in der sieben-minütigen Nachspielzeit wieder etwas zu.

So als der ansonsten starke Florian Meier ein Luftloch im eigenen Strafraum schlug - damit hatte auch der eingewechselte Bowen Wang nicht gerechnet und traf den Ball ebenfalls nicht richtig (90.+1), zwei Minuten später war es erneut Wang, der aus zwölf Metern freie Schussbahn hatte, allerdings zu hoch ansetzte.

Und so konnte die Bank ihrem Jubel freien Lauf lassen: Die ersten drei Punkte des Jahres sind im Sack. Überglücklich rannte Sportchef Denny Schiemann aufs Feld, herzte jeden Norderstedter, der ihm über den Weg lief. Und auch Jonny Richter konnte seinen Moment genießen. „Der Schlusspfiff war ein emotionaler Schub. Es war ein Stück weit Bestätigung für die Arbeit, die wir über 90 Minuten gemacht haben, aber auch eine gewisse Erleichterung für den Aufwand, den wir betrieben haben, und die aktuelle Tabellensituation. Deswegen ist da auch ein bisschen Anspannung abgefallen und in pure Freude umgewandelt worden.“

Im Endeffekt war es eine kleine Belohnung für den Aufwand in den letzten Tagen. Die Jungs waren sehr fleißig vor, während und nach dem Training, auch wir haben viele Gespräche und viel Zeit investiert. Aber das ist erst der Anfang. Wir haben noch eine Menge vor uns“, resümierte Richter. „Deswegen ist es umso schöner, dass man jetzt mit einer kleinen Euphoriewelle in den Abend starten und sich auf die nächsten Aufgaben gezielt vorbereiten kann. Und es war schön zu sehen, dass wir trotz der Widrigkeiten was Verletzungen und Rahmenbedingungen angeht, einfach auch als Team auf dem Feld agiert haben. Einer war für den anderen da. Das wollen wir jetzt auch den eigenen Zuschauern zeigen, dass wir richtig heiß darauf sind, mit den Erfolgen weiterzumachen!“

Mit etwas Verzögerung – Lars Huxsohl wurde noch aus dem Oldenburger Krankenhaus abgeholt – ging es dann zurück nach Norderstedt. Dabei mussten die Neuzugänge Nathan Winkler und Eric Gueye, U23-Stürmer Ede Zimmermann so Trainer Jonny Richter ihren Einstands-Song singen. Richter gab "Der Zug hat keine Bremse" vor versammelter Mannschaft zum Besten. Der Busfahrer verstand wohl „Der Bus hat keine Bremse“ und wurde passenderweise unter dem Gejohle der Mannschaft während Richters Darbietung geblitzt.

Wäre nicht die Verletzung von Lars Huxsohl passiert, wäre es nach den 6:0-Siegen unserer U19 und unserer U23 wohl das perfekte Wochenende gewesen. Und so bleibt die Freude dann doch eher gedämpft.

Mehr Grund zur Freude soll es am kommenden Mittwoch geben. Dann ist der SC Weiche Flensburg 08 um 19.00 Uhr im Edmund-Plambeck-Stadion zu Gast.

SSV Jeddeloh

0 : 2

FC Eintracht Norderstedt

Samstag, 16. März 2024 · 16:00 Uhr

Regionalliga Nord · 26. Spieltag

Schiedsrichter: Julian Bergmann Assistenten: Julian Meckfessel, Hannes Hettwer Zuschauer: 350

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