Das letzte Interview des Jahre 2018 haben wir mit unserem Sturmtank Jan Lüneburg geführt. Kaum ist er wieder genesen und steht in der Startelf, schießt er wieder Tor über Tor. Und auch in unserem Interview zeigt sich Lüne von seiner besten Seite und gibt Antworten, die man so vielleicht nicht erwartet hätte. Habt ihr schon mal einen Fußballer erlebt, der auf die Frage nach seinen Stärken antwortet, dass seine große Schwäche ist, dass er nicht gerade der beste Fußballer ist? Der lieber für Celtic Glasgow als für den FC Barcelona spielen würde? Nein? Und warum würde er von allen deutschen Fußballern am Liebsten den Kapitän des 1.FC Nürnberg, Hanno Behrens, an der Ochsenzoller Straße sehen? Freut Euch auf das Interview mit unserem zukünftigen Konditionstrainer und Ernährungsberater Jan Lüneburg!

EN: „Was für ein Comeback: nachdem du lange von Verletzungsproblemen geplagt warst, hast du nach deinem Startelf-Comeback vier Tore in drei Spielen erzielt. Besser geht es nicht: wie fühlst du dich? Bist du schon wieder der alte Lüne?“

JL: „Ich fühle mich immer besser. Nach so einer langen Verletzung ist es ja nie ganz einfach zurück zu kommen, zumal ich ja direkt nach der Verletzung nochmal drei, vier Wochen ausgefallen bin. Die letzten anderthalb Jahre waren fußballerisch nicht gerade die glücklichste Zeit für mich… Ich hoffe, dass ich das jetzt hinter mir gelassen habe. Ich bin noch lange nicht bei 100%, aber zumindest so weit, dass ich der Mannschaft mit meiner körperlichen Präsenz helfen und Tore machen kann. Aber da geht natürlich noch mehr. Es ist sehr müßig, sich da alleine immer ran zu kämpfen und zehrt an den Nerven.“

EN: „Also sehen wir Lüne nach der Wintervorbereitung, sofern er bis dahin fit bleibt, bei 100%?“

JL: „Das hoffe ich sehr, ja. Mit einer kompletten Vorbereitung über vier, fünf Wochen will ich dann komplett fit sein.“

EN: „Wie schwer ist es, sich nach so einer Verletzung immer wieder ran zu kämpfen?“

JL: „Das Schwerste ist für mich, wenn man nur auf der Tribüne mitfiebert. Ich bin ja auch keiner, der dann ruhig sitzen bleiben kann. Allein Reha zu machen, nicht mit der Mannschaft trainieren zu können… ich glaube, gerade im Amateur-Fußball ist es wahnsinnig wichtig, mit den Jungs zusammen zu sein. Wir sind alle keine Profis, wir machen es vorrangig, weil es Spaß bringt. Deswegen ist es wichtig, dass man sich gut versteht. Und um so schwerer ist es, den Jungs zuzugucken und zu wissen, dass ich ihnen nicht helfen kann. Das ist das, was mich am meisten stört. Mal abgesehen davon, dass man unbedingt spielen möchte. Immer zur Reha zu fahren und mit dem Arzt oder den Physiotherapeuten zu trainieren, ist auf Dauer nervig.“

EN: „Das heißt, du musst von Vanni (Anm.: Physiotherapeutin Vanessa Blunk) ausgebremst werden, weil du unbedingt auf den Platz willst?“

JL: „Wenn du Vanni fragst, wird sie dir sicherlich sagen, dass ich so ein Kandidat bin, der lieber drei Wochen früher starten will, als es aus medizinischer Sicht Sinn macht. Das nehme ich dann auf meine eigene Kappe. Wobei man dazu sagen muss, dass wir mit dem Lans Medicum medizinisch top ausgestattet sind, so dass ich dann auch öfter mal auf die medizinische Meinung hören muss – auch wenn es schwerfällt.“

EN: „Vor der „Seuche“ der letzten anderthalb Jahre warst du weitestgehend verletzungsfrei, oder?“

JL: „Bis dahin hatte ich nur eine schwerere Verletzung. Ich hatte in meinem ersten Herrenjahr in Henstedt-Ulzburg einen sehr schweren Autounfall, bei dem ich mir das Knie komplett zertrümmert habe. Da wusste ich schon mit 19 Jahren, dass ich den Traum vom Profi-Fußball ad acta legen konnte. Im Nachgang muss man aber sagen: auf Grund der Schwere des Unfalls hätte es auch deutlich, deutlich schlimmer ausgehen können und für andere Parteien ist es leider auch schlimmer ausgegangen als für mich. Fußballverletzungen waren zwei Nasenbeinbrüche, mal eine Muskelverhärtung… aber alles Kleinkram im Vergleich zum Syndesmosebandriß, wo ich ja vier Monate ausgefallen.“

EN: „Wie lange bist du mit dem kaputten Knie ausgefallen?“

JL: „Das ging für die Schwere der Verletzung eigentlich. Der Unfall war Ende Oktober, im Sommer habe ich wieder gespielt. Vielleicht acht Monate.“

EN: „Du warst offensichtlich schon damals ein Kämpfertyp. Was gibt es sonst noch, was wir über den Menschen hinter dem Fußballer wissen sollten?“

JL: „Ich bin 28 Jahre alt und beruflich Export-Manager in einer Firma für Prämien-Programme, also die klassischen Geschichten wie Miles & More. Die Firma sitzt in Elmshorn, gelegentlich bin auch deutschlandweit unterwegs oder im europäischen Ausland. Die meiste Zeit bin ich aber im Büro in Elmshorn. Seit diesem Jahr bin ich mit meiner Frau Jill verheiratet, wir wohnen mit unseren zwei Hunden in Klein Nordende bei Elmshorn. Kinder haben wir noch nicht.“

EN: „Was machst du in deiner Freizeit?“

JL: „Ich verbringen viel Zeit mit meiner Frau und den beiden Hunden, mit Familie und Freunden. Wir haben ein so zeitintensives Hobby, wenn man dann noch 45-50 Stunden die Woche arbeitet, vielleicht noch durch die Gegend fliegt und abends zum Training hetzt, bin ich ehrlich gesagt froh, wenn ich dann mal ein bißchen zuhause sein und abschalten kann.“

EN: „Wie würdest du dich als Spielertyp beschreiben? Was sind deine Stärken?“

JL: „Fangen wir mal mit den Schwächen an: ich bin nicht der größte Fußballer, war ich nie und werde ich nie sein. Ich hoffe, die Leute verzeihen mir das, wenn ich dafür ein paar mehr Tore schieße… Mein großes Plus ist, dass ich in den meisten Szenen weiß, wie ich meinen Körper einsetzen muss. Das heißt aber auch, dass ich sehr darauf angewiesen bin, dass mein Körper funktioniert. Tut er das nicht, merkt man das bei mir schneller als beispielsweise bei einem Björn Nadler, der früher gefühlt nie trainiert und trotzdem auf einem überragenden Level Fußball gespielt hat. Das funktioniert bei mir nicht. Ich komme halt mehr über das Körperliche, was auch nicht immer ganz einfach ist, weil gefühlt mehr gegen den Stürmer gepfiffen wird als für ihn. Man muss als Stürmer halt austeilen und einstecken können und das kann ich. Ich kann mich nach jedem Spiel vom Gegenspieler mit Shakehands verabschieden.“

EN: „Hart, aber herzlich.“

JL: „Ja, genau. Ich will immer gewinnen und versuche, auf dem Platz alles zu geben.“

EN: „Warst du schon immer Stürmer?“

JL: „Es hat kein Trainer eine andere Position für mich gefunden.“ (lacht) „In der A-Jugend Bundesliga beim FC St. Pauli habe ich mal als zweite Spitze gespielt. Da hatten wir einen anderen klassischen Mittelstürmer, den man hier auch noch kennt: Ermir Zekjiri. Der war damals das Gegenteil von dem, was er jetzt ist. Er war klassischer Mittelstürmer und hat sich vorne fast gar nicht bewegt, ich musste dafür um so mehr läuferische Arbeit leisten. Im Herren-Bereich hat sich das dann ein bißchen verschoben. Aber vorne gespielt habe ich eigentlich schon immer. Ich war schon immer relativ torgefährlich und hatte ein gutes Kopfballspiel.“

EN: „Das Stürmerspiel verschiebt sich auch immer mehr. Du bist noch so ein klassischer Mittelstürmer der alten Schule. Davon gibt es ja auch immer weniger, dafür gibt es dann sowas wie die „falsche 9“… was hälst du aus deiner Mittelstürmersicht davon?“

JL: „Das naheliegendste Beispiel dafür ist ja Deutschland. Wenn ich mir die Spiele angucke, ist das so ein Zwiespalt. 2014 sind wir ohne klassischen Mittelstürmer Weltmeister geworden. Im Grund haben ja vorne Götze oder Müller gespielt, die keine klassische 9 sind. Ich glaube aber, dass uns 2018 ein richtiger Mittelstürmer sehr gutgetan hätte. Die anderen Nationen haben sich auf unsere Taktik eingestellt. Und wenn die schnellen Außenstürmer keinen Raum bekommen, wird es eben schwieriger. Ich glaube, das ist bei uns ähnlich. Seit wir 2013 in die Regionalliga aufgestiegen sind, haben wir für unser Spiel immer zwingend unseren Mittelstürmer als Anspielpunkt in der Mitte gebraucht, sowohl unter Thomas Seeliger als auch unter Dirk Heyne. Ich glaube, die Anforderungen an einen Stürmer werden in der Zukunft einfach komplexer, weil sich die Spielsysteme immer anpassen.“

EN: „Wie hat das mit Dir und dem Fußball angefangen?“

JL: „Das wurde mir ein wenig in die Wiege gelegt: ich habe mit vier Jahren bei Rasensport Elmshorn angefangen. Mein Vater Thorsten hat auch schon hochklassig gespielt, unter anderem zusammen mit Reenald Koch in der Hamburger Auswahl.“

EN: „Für welche Vereine hat dein Vater gespielt?“

JL: „Früher auch für Rasensport Elmshorn. 1991 haben die in der Aufstiegsrunde zur 3. Liga gegen Kickers Emden mit Spielern wie dem späteren Nationalspieler Jörg Heinrich gespielt. Otto Waalkes war damals Hauptsponsor in Emden. Mein Vater hat damals 30 Tore geschossen, sich dann aber im Training vor den beiden entscheidenden Spielen das Bein gebrochen. Deswegen, so heißt es in Elmshorn, seien sie am Ende nicht aufgestiegen. Danach ist er zu Hummelsbüttel und zum TuS Hoisdorf gewechselt. Hoisdorf hatte damals mit Günter Bruss einen finanzstarken Sponsor, der jetzt beim VfB Lübeck mitmischt. Das war ein Riesen-Geldgeber damals, der in Hoisdorf ein Star-Ensemble zusammen gestellt hat mit Bert Ehm als Trainer. Der führte Hoisdorf in die Spitzengruppe der 3. Liga, in der zweiten Runde im DFB-Pokal haben sie auf der ausverkauften Lohmühle gegen Bayern München gespielt.“

EN: „So vorbelastet blieb deinem Bruder und dir ja nichts anderes übrig, als selbst Fußball zu spielen.“

JL: „So ist es. 2004 fusionierte Raspo mit Fortuna Langelohe zum FC Elmshorn, da habe ich dann weitergespielt. Da habe ich dann bestimmt acht, neun Jahre mit dem jetzigen Kapitän vom 1.FC Nürnberg, Hanno Behrens, in einer Mannschaft gespielt. Den sehe ich auch noch häufiger, wenn er mal in Elmshorn zu Besuch ist. Mit 15 Jahren ist er zum HSV gewechselt und hat mich in Elmshorn allein gelassen. Mit 16 Jahren bin ich dann zum FC St. Pauli gegangen und habe dort drei Jahre in der B- und A-Junioren Bundesliga gespielt. Da waren schon einige interessante Gegner bei. Lasogga bei Wolfsburg oder Bellarabi bei Braunschweig, beim Ländervergleich haben wir gegen Mecklenburg-Vorpommern mit Toni Kroos gespielt.“

EN: „Von dort ging es dann weiter nach Henstedt-Ulzburg.“

JL: „Ja. Am Ende des Tages wurde mir von St. Pauli signalisiert, dass ich einen Vertrag für die U23 bekomme, aber das hat ich dann zerschlagen. Danach war ich kurz mit dem damaligen Trainer von Holstein Kiel, Falko Götz, im Gespräch. Holstein Kiel war gerade in die 3. Liga aufgestiegen, die zweite Mannschaft von Holstein Kiel spielte in der Relegation zur Regionalliga gegen die U23 vom FC St. Pauli. Wäre Kiel damals in die Regionalliga aufgestiegen, hätte ich einen Vertrag bekommen und dann erstmal in der U23 in der Regionalliga gespielt.

EN: „Also diese klassische Geschichte: Vertrag für die erste Mannschaft, spielst aber erstmal für die zweite Mannschaft und dann mal gucken?“

JL: „Genau. Da dann aber St. Paulis U23 aufgestiegen ist, ist der Deal nicht zustande gekommen, der Unterschied von 3. Liga zur Oberliga ist einfach zu groß. Sie hätten mich gerne für die Oberliga genommen, aber das kam für mich nicht in Frage, für Oberliga muss ich nicht nach Kiel gehen, das kann ich auch hier in der Nähe. Dann hat mich Jens Martens (Anm.: unser aktueller U19-Coach) angerufen und nach Henstedt-Ulzburg geholt. Die hatten zu dem Zeitpunkt eine starke Mannschaft in der Oberliga Schleswig-Holstein, ich kannte viele Spieler, es war nah an meinem Wohnort. Ich bin dann leider schon nach acht, neun Spielen wegen des Unfalls mit einem Kreuzbandriss ausgefallen. Im Sommer wollte HU gerne mit mir verlängern. Ich hätte das auch gerne gemacht, allerdings bin ich damals in der Ausbildung täglich nach Bad Segeberg gefahren, das wollte ich so nicht mehr machen. Ich habe mich dann entschieden, zurück nach Elmshorn zu gehen und meine Ausbildung beim damaligen Geldgeber vom FC Elmshorn weiter zu führen und zu beenden. Die nächsten drei Jahre war ich beim FC Elmshorn, die Zeit war unglaublich. Im ersten Jahr haben wir im Relegationsspiel hier im Edmund-Plambeck-Stadion im Elfmeterschießen den Oberliga-Aufstieg gegen den TSV Sasel knapp verpasst, im zweiten Jahr sind wir mit 76 Punkten und 111 geschossenen Toren aufgestiegen…“

EN: „Wieviel Tore hast du davon gemacht?“

JL: „In der Saison glaube ich 38 oder so.“

EN: „Nette Quote.“

JL: „Wir hatten damals auch eine richtig starke Mannschaft. In der Oberliga haben wir dann mit Achim Hollerieth einen neuen Trainer bekommen und sind als Aufsteiger gleich mal durchmarschiert und Meister geworden, im Pokalfinale haben wir aber gegen den SC Victoria verloren… In Elmshorn hatte man große Träume von der Regionalliga. Uns Spielern war aber relativ schnell klar, dass das mit der Infrastruktur vor Ort nicht umsetzbar sein dürfte. Gar nicht mal von der Kohle her, da waren schon zwei, drei Verrückte, die da noch Geld reingesteckt hätten. Aber mit dem Platz war das nicht machbar. Wobei, wenn ich mir heute einige Stadien in der Regionalliga angucke, wird bei den Auflagen mindestens mit zweierlei Maß gemessen… in Elmshorn war das Besondere, dass wir bis auf zwei, drei Ausnahmen, die aus Hamburg kamen, 90% Spieler aus Elmshorn hatten, die sich schon sehr lange kannten. Elmshorn war durch die Raspo-Zeit in der Oberliga in den 90ern Fußball-verrückt, da hatten wir Freitag abends im Durchschnitt 600-700 Zuschauer, da war nach dem Spiel noch ordentlich was los, richtige Volkfest-Stimmung.“

EN: „Und trotzdem wurde es nichts mit der Regionalliga.“

JL: „Nach dem verlorenen Pokalfinale habe ich mir dann mit 22 Jahren gesagt, dass ich den Schritt in die Regionalliga wagen will, wenn ein Verein kommt. Ich hatte schon im Winter ein, zwei lose Anfragen, von Rot-Weiß Essen aus der Regionalliga West zum Beispiel. Das kam aber für mich nicht in Frage.“

EN: „Weil du relativ heimatverbunden bist?“

JL: „Das auch. Man darf halt nicht vergessen, dass man sich in Hamburg als „Amateur-Fußballer des Jahres“ und Torschützenkönig der Oberliga ein gewisses Standing erarbeitet hatte, in Essen hätte ich wieder bei null angefangen. Ich hätte es mir zugetraut, aber am Ende des Tages muss man sich eben auch mal die Frage stellen: für was? Hätte in der ersten Regionalliga-Saison für Eintracht 40 Tore geschossen, würden wir hier jetzt wahrscheinlich nicht sitzen. Habe ich aber nicht.“ (lacht) „Ich konnte mich auch mit 22, 23 Jahren schon so gut einschätzen, dass ich wusste, dass es für mich nicht höher gehen wird als Regionalliga und mich daher entschieden, den Fokus auf den Beruf zu legen. Klar, wenn man mal unfallfrei durch die Saison kommt und wirklich alles trifft, geht es vielleicht mal in die 3. Liga hoch, aber für die beiden Bundesligen gibt es halt einfach bessere als mich, das muss man klar so sehen. Deswegen kam das für mich eigentlich nie in Frage, ganz woanders hinzugehen.“

EN: „Und wie kam Eintracht dann ins Spiel?“

JL: „Als klar war, dass Norderstedt statt Elmshorn in die Aufstiegsrunde geht, hat Präsident Reenald Koch mich kontaktiert. Das erste Mal haben wir uns beim Abschlußtraining vor dem ersten Aufstiegsspiel gegen Lupo Martini Wolfsburg getroffen. Dann habe ich mir das Spiel gegen Lupo angeguckt. Da war für mich eigentlich schon klar, dass ich das Ligen-unabhängig machen will. Ich habe aber sicherheitshalber noch das nächste Spiel abgewartet.“ (lacht) „Das zweite Aufstiegsspiel in Drochtersen habe ich mir auch live vor Ort angeguckt. Und als klar war, dass Norderstedt aufsteigt, habe ich ihm noch von der Tribüne im Stadion aus eine SMS geschickt, dass ich das Erlebnis Regionalliga angehen möchte und er die Rückennummer 9 für mich reservieren soll.“ (lacht) „Auf jeden Fall eine Entscheidung, die ich bis heute keinen Tag bereut habe.“

EN: „Das passt auch dazu, dass du seit 2013 hier bist und 2017 deinen Vertrag gleich um drei Jahre verlängert hast. Das ist auf Regionalliga-Niveau schon eine verdammt lange Zeit.“

JL: „Wir halten das mit den Verträgen relativ unkompliziert. Wir waren uns beide einig, dass wir miteinander weiterarbeiten wollen, so dass es nur noch um die Laufzeit des Vertrages ging. Ich habe ihn gefragt ‚wieder zwei?‘, er meint ‚mit dir würde ich auch drei Jahre verlängern‘ und dann haben wir das halt gemacht. Ich fühle mich hier im Verein pudelwohl, der Verein offensichtlich auch mit mir. Machen wir uns nichts vor, Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Verdienste von Spielern sind da und bleiben auch, aber sie zählen relativ schnell nichts mehr, wenn du die Leistungen nicht bestätigst. Von daher ist es schon eine große Anerkennung für mich. Das zeigt mir, dass man mich und meine Leistungen hier wertschätzt.“

EN: „Du hast früher schon mal mit deinem Bruder Flemming zusammengespielt. Ist das für Euch ein Ziel, nochmal zusammen zu spielen oder eher nicht?“

JL: „Mein Bruder hat gerade den Job gewechselt und tourt viel durch Deutschland. Aktuell spielt er beim FC Union Tornesch in der Landesliga, hat aber nicht mehr die Zeit, sich so sehr auf Fußball zu konzentrieren. Aber sag niemals nie, vielleicht ergibt es sich zum Ende der Karriere nochmal, dass wir zusammenspielen. Vielleicht in den Alten Herren noch ein, zwei Mal die Woche zum Fussi.“ (lacht) „Es ist aber kein erklärtes Ziel von uns. Dazu waren die Ambitionen auch zu unterschiedlich. Er ist sicherlich mit deutlich mehr Talent gesegnet als ich, dafür bin ich etwas ehrgeiziger, das wenige Talent umzusetzen…“ (lacht)

EN: „Du hast vorhin schon das Thema FC Elmshorn angesprochen. Du warst ja mitten drin beim Aufstieg und Fall des FCE, als man die Regionalliga-Bewerbung zurückzog und Eintracht stattdessen in die Aufstiegsrunde ging. Ich hatte das im letzten Interview mit Olaf Bösselmann aus Norderstedter Sicht schon thematisiert, wie hast du diese Zeit aus Elmshorner Sicht miterlebt?“

JL: „Als verkündet wurde, dass wir nicht für die Regionalliga melden, war das für uns Spieler ein Schlag mitten ins Gesicht. Es wurde so dargestellt, als ob unsere Niederlage im ODDSET-Pokalfinale damit nichts zu tun gehabt hätte. Natürlich etwas doof, dass das dann direkt ein oder zwei Tage nach der Finalniederlage verkündet worden ist. Aber das musste natürlich schnell gehen, um fair gegenüber Norderstedt zu sein. Im Großen und Ganzen war das sehr schade, sowas braucht keiner. Weder Spieler noch Verein oder Verantwortliche beider Vereine, weder die, die kurzfristig absagen mussten noch die, die kurzfristig eingesprungen sind. Wir waren damals, bis auf Dennis Gersdorf, der ja zu Oberliga-Zeiten hier auch mal Kapitän war, eine sehr junge Mannschaft, alle im besten Fußball-Alter. Ob wir das Potenzial für die Regionalliga gehabt hätten, sei mal dahingestellt, wir hätten uns sicher noch verstärken müssen. Für Elmshorn wäre es sicher schön gewesen, aber ob man mit der Mannschaft die Klasse gehalten hätte wie Norderstedt, glaube ich ehrlich gesagt nicht, weil die Rahmenbedingungen hier besser nicht.“

EN: „Kam es für Euch damals überraschend? Oder hatte sich das vorher schon angedeutet?“

JL: „Dass wir auf unserem Platz an der Wilhelmstraße auf Grund der Auflagen, die damals herrschten, nicht spielen konnten, war uns schon klar. Fantrennung, Risikospiele etc., das wäre nicht gegangen. Von daher wäre die Variante gewesen, ins Stadion Hoheluft nach Hamburg zu gehen oder ins Krückaustadion in Elmshorn, wo aktuell die Fighting Pirates in der 2. Bundesliga Football spielen. Dort hätte man die Auflagen sicherlich umsetzen können. Wenn ich mir das angucke, denke ich, dass man da jetzt auch Regionalliga spielen könnte ohne große Umbaumaßnahmen. Ich meine, bei Lupo Martini gibt es keine „geeigneten Sicherheitsmaßnahmen“, die Spieler und Schiedsrichter auf dem Weg von der Kabine zum Spielfeld schützen, da werden nur irgendwelche Bändchen gehalten, wenn man einläuft. Beim VfL Oldenburg spielt man auf Kunstrasen und das nicht mal auf dem vorgeschriebenen modernen, sondern einem alten… vielleicht haben die die Vorgabe peu a peu gelockert, weiß ich nicht. Aber damals wurde jedenfalls deutlich strenger durchgegriffen. Naja, dazu kam jedenfalls, dass das Stadion an der Wilhelmstraße nicht dem Verein gehört, da war auch viel Politik bei, was einfach sehr sehr schade war, weil Elmshorn damals eine Fußballstadt war. Hätte man dort einen Großverein statt vieler kleinerer, muss man mindestens Oberliga spielen. Aber das kann ich ja nach der Karriere angehen.“ (lacht)

EN: „Falscher Verein, aber ein schönes Ziel, um dem Fußball verbunden zu bleiben.“ (lacht)

JL: „Ja, genau.“ (lacht) „Mal unabhängig von Elmshorn: Ich kenn auch viele, die früher mit meinem Vater zusammengespielt haben und sagen „lass mich in Ruhe mit Fußball, ich habe 20 Jahre auf höchstem Amateur-Niveau gespielt. Ich gucke mir nicht mal mehr Bundesliga an.“ Für die war es eine Lebens-Etappe, die können damit nichts mehr anfangen. Mittlerweile kann ich es ein stückweit nachvollziehen. Es ist mein Hobby, ich mache das sehe, sehr gerne. Aber was auf diesem Niveau hier alle leisten, das ist vom Aufwand her einfach extrem. Wenn die Karriere vorbei ist, kann ich mir schon vorstellen, dass man mal ein, zwei Jahre Abstand benötigt und braucht. Ich denke aber schon, dass ich dem Fußball verbunden bleiben werde. Ich habe schon zu Philipp (Koch) gesagt, dass ich mir vorstellen könnte, hier etwas zu machen. Ich spiele schon so viele Jahre hier und fühle mich dem Verein sehr verbunden.“

EN: „Und was würdest du machen wollen?“

JL: „Das weiß ich noch gar nicht. Vielleicht mache ich meinen Trainerschein und werde Jugendtrainer. Oder Konditionstrainer oder Ernährungberater.“ (lacht) „Aber klar, warum nicht, ich fühle mich hier sehr wohl, es ist hier alles so, wie ich es mir vorstelle. Ich denke, dass ich ein ganz umgänglicher Typ bin und man sich mit mir eigentlich nicht nicht-verstehen kann.“

EN: „Hast du dir ein Ziel gesetzt, wie lange du noch spielen willst?“

JL: „Erstmal habe ich ja noch anderthalb Jahre Vertrag. Dann bin ich 29, werde 30. Dann muss man gucken, wie es von Vereinsseite her aussieht. Ich wage mal zu behaupten, dass ich in der Regionalliga für keinen anderen Verein als Eintracht Norderstedt mehr spielen werde. Es kann natürlich immer Umstände geben, das Reenald mich irgendwann mal vom Hof jagt und ich dann doch nochmal woanders spiele, aber ob es dann Regionalliga wird, ist ein anderes Thema.“ (lacht) „Ich habe mir da aber keine Deadline gesetzt.“

EN: „Es kann also passieren, dass du noch ein paar Jahre bei Eintracht Norderstedt spielst und dann noch ein, zwei Jahre für den SV Lieth (Anm.: nächstgelegener Verein zu seinem Wohnort Klein Nordende)?“

JL: „Genau, ja. Anfang 2020 werden Reenald und ich uns mal zusammensetzen. Dann werden wir auf meine Einsatzzeiten und meine Tore schauen und sehen, wie zufrieden er noch ist und ob er mir noch mal drei Jahre anbietet.“ (lacht) „Solange der Körper mitmacht und solange man einen Mehrwert für die Mannschaft darstellt, kann man über alles reden. Wenn es nachher zur absoluten Quälerei wird, muss man sich irgendwann eingestehen, dass es keinen Sinn mehr macht. Aber solange das nicht der Fall ist, kann ich mir gut vorstellen, noch ein paar Jahre in Norderstedt zu spielen.“

EN: „Hast du ein bestimmtes Ritual oder einen Tick vorm Spiel?“

JL: „Du meinst immer erst den linken Stutzen anzuziehen und dann den rechten?“ (lacht) „Nein, gar nicht. Ich bin vor Spielen immer sehr ungeduldig, stehe früher auf, als ich müsste. Da brauche ich dann meine Ruhe und mache meistens eine mittelgroße Radtour mit den Hunden. Das ist eher so mein Ding. Also vor den normalen Spielen. Vor sowas wie dem Pokalfinale brauchst du mich gar nicht anzusprechen.“ (lacht)

EN: „Stichwort Pokalfinale: Was waren für dich in deiner bisherigen Karriere die Momente, die am meisten im Kopf geblieben sind?“

JL: „Negativ sind natürlich die Verletzungen, das kommt immer unglücklich und ungelegen. Das ein oder andere Spiel im Oddset-Pokal auch. In meinem ersten Jahr hier sind wir gegen Elmshorn rausgeflogen, das war natürlich extrem unglücklich, genau wie die Niederlage in Buchholz im Jahr darauf. Aber Niederlagen gehören auch dazu, bei mir überwiegen auf jeden Fall die positiven Sachen wie die beiden Pokalfinals. Gerade das erste mit Eintracht gegen Altona, mit den beiden Fanlagern, den Choreographien, der Kulisse, das war Wahnsinn. Und dann natürlich der Spielverlauf, viel dramatischer geht es ja nicht. Außer vielleicht das Finale gegen HR… Aber Altona war schon das Highlight. Ich habe ja davor mit Elmshorn schon mal im Pokalfinale gegen Victoria gespielt. Das war 1:1 derselbe Spielverlauf, nur dass wir dort in der 98. Minute durch einen Sonntagsschuss von Roger Stilz verloren haben. Dasselbe jetzt nochmal zu erleben, nur eben umgekehrt, war für mich schon sehr Besonders. Und gerade dann mit meinem Tor in der 96. Minute, wo ich den Ball so glücklich treffe…“

EN: „… da haben schon viele erstaunt geguckt und gedacht: das kann der doch eigentlich gar nicht…?“

JL: „Ich auch, ich auch.“ (lacht) „Aber als der Ball meinen Fuß verlassen hat und ich gemerkt habe, dass der eine gute Flugkurve hat und der Torwart nicht mehr drankommt, das war schon richtig krass. Hätte ich den Ball nicht so getroffen, hätte ich ihn wahrscheinlich irgendwo ins Krankenhaus geschossen…“ (Anm.: Der Finalplatz Hoheluft liegt direkt neben dem UKE) „Die Spiele gegen Wolfsburg und gegen Fürth im DFB-Pokal waren natürlich auch tolle Erlebnisse. Gegen Wolfsburg war nochmal eine Spur krasser, weil wir ausverkauftes Stadion hatten und uns auf dem Feld nicht mal richtig verstanden haben. Das bringt schon Spaß und ist definitiv mein Ziel, im Sommer 2019 wieder den Hamburger Pokal zu gewinnen und nochmal DFB-Pokal spielen zu können.“

EN: „Kommen wir zum Teil mit den Abschlussfragen, die jeder gestellt bekommt – Wenn du für Eintracht Norderstedt einen deutschen Spieler deiner Wahl holen könntest… wer wäre das?“

JL: „Auf Grund unserer persönlichen Beziehung, würde ich gerne nochmal mit Hanno Behrens zusammenspielen. Der wird sicherlich irgendwann in die Heimat zurückkommen. Wir sind allerdings so gut im Mittelfeld besetzt, da weiß ich gar nicht, ob er spielen würde.“ (lacht) „Das wäre ein Ding, dass ich mir aus persönlichen Gründen wünschen würde.“

EN: „Umgekehrt: in welcher Mannschaft würdest du gerne mal spielen?“

JL: „Wenn du jetzt die klassischen Antworten erwartest, dass ich Real, Barca oder Bayern sage, muss ich dich enttäuschen. Da bediene ich nicht das klassische Klischee wie die meisten Jungs von uns, die allerdings fußballerisch auch eher in den genannten Mannschaften spielen könnten als ich.“ (lacht) „Ich verfolge den englischen und schottischen Fußball schon sehr lange. Im Celtic Park in Glasgow zu spielen oder an der Anfield Road in Liverpool, ist schon eine besondere Art Fußball, die meiner persönlichen Art deutlich näherkommt als Spanien oder so…“

EN: „Zu guter letzt: Mach mal Werbung für Eintracht Norderstedt: warum sollten die Zuschauer deiner Meinung nach zu uns ins Stadion kommen?“

JL: „Die meisten sagen ja, dass es hier ehrlicherer Fußball ist. Das stimmt schon. Wir befinden uns in der höchsten Amateurklasse. Wenn ich nicht selbst spielen würde, würde ich auch vorbeikommen und mir das angucken. Man sieht immer dieselben Jungs, da hat man schon eine persönliche Bindung zueinander. Wir haben Fans, die mit auswärts fahren – das machen die, weil sie uns unterstützen wollen und nicht, weil sie Sonntag nachmittag nichts zu tun haben. Es ist einfach sehr familiär und wenn ich mir die Zuschauerzahlen von früher angucke – ich weiß, dass ist in Zeiten von Pay-TV und kommerziellem Profi-Fußball nicht realistisch – würde ich mir wünschen, dass noch der ein oder andere seinen Weg ins Stadion findet. Das würde dem Amateursport guttun. Die Leute bekommen immer eine Mannschaft von Eintracht Norderstedt zu sehen, die sich nicht hinten reinstellt, sondern versucht, offensiven und attraktiven Fußball zu spielen. Dass es immer von Erfolg gekrönt ist, kann ich nicht versprechen und ist auch leider nicht so, aber wir werden immer unser Bestes geben.“